Wenn wir Kontakt mit Tieren haben, viel Zeit mit ihnen verbringen oder sogar mit ihnen zusammen leben, geht es häufig darum, dem Tier etwas beizubringen oder es zu erziehen. Wir möchten das Tier ja schließlich gut in unseren Alltag integrieren und einen treuen, zuverlässigen Partner an unserer Seite haben. Einen Freund, auf den wir uns verlassen können. Deshalb muss das Tier natürlich auch auf uns „hören“ und tun was wir möchten. Doch muss das wirklich immer so sein? Ich bin der Meinung, dass Tiere bereits alles können, es geht nur darum, dass wir Menschen den Tieren vermitteln können, wann wir was von ihnen möchten. Das muss nicht das Tier, sondern der Mensch lernen. Deshalb möchte ich euch heute mal dazu anregen den Blick zu verändern. Statt darauf zu schauen, was vielleicht nicht klappt den Blick einmal darauf zu lenken, was unsere Tiere eigentlich alles mitbringen und was wir vielleicht sogar von ihnen lernen können.
Wir können von Tieren lernen achtsam zu sein
Wenn Tiere wach sind, sind sie präsent, sie kriegen alles mit, was um sie herum passiert und nehmen alles wahr. Kannst du das auch so gut? Oder ist es dir vielleicht auch schonmal passiert, dass dein Geldbeutel/Handy/Schlüssel verschwunden ist und du keine Ahnung hast wo dieser Gegenstand ist, dabei bist du dir sicher, du hattest ihn in letzter Zeit mal in der Hand. Wir Menschen neigen dazu gedanklich abzudriften. Unsere Gedanken sind selten bei dem, was wir gerade tun. Entweder sie sind in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Das kann durchaus positive Aspekte haben, zum Beispiel wenn du Pläne schmieden oder etwas reflektieren möchtest. Das Problem ist allerdings, dass wir dadurch so wahnsinng viel passieren, alles was in diesem Moment um uns herum passiert. Tiere sind da. In diesem Augenblick. Sie nehmen alles um sich herum wahr. Pferde beispielsweise sind als Fluchttiere darauf angewiesen, jede kleinste Veränderung in der Umgebung wahrzunehmen, auch bei dir. Wenn du dir also wünscht, gedanklich mehr bei dem zu sein was du gerade tust, entweder weil du den Augenblick und dein Leben (denn dein Leben besteht letztlich nur aus vielen vielen Augenblicken) mehr genießen willst oder auch ganz pragmatisch weil du nicht dauernd irgendwas verlieren und suchen möchtest (Manchmal verlieren wir uns dabei sogar selbst), dann nimm dir ein Beispiel an Tieren, die können das.
Wir können von Tieren Authentizität lernen
Eine weitere Sache die wir von Tieren lernen können ist authentisch zu sein. Authentizität bedeutet für mich, dass das was man fühlt nach außen zum Ausdruck gebracht wird und man sich so verhält, wie man sich gerade fühlt.
Tiere tun das, an ihrem Verhalten kann man genau erkennen, wie es ihnen gerade geht. Sie handeln einfach. Das wirst du im Umgang mit ihnen immer wieder beobachten.Dadurch, dass Tiere immer so handeln, wie sich fühlen, verstellen sie sich auch nicht. Sie sind so wie sind und es ist ihnen egal, was andere davon halten. Sie machen sich darüber einfach keine Gedanken. Hört sich eigentlich ganz einfach an oder? Auch wenn es in der Theorie sicher einfach ist, gibt es hier in der Praxis bei uns Menschen doch den ein oder anderen Fallstrick. Wenn wir etwas fühlen, bringen wir es häufig nicht ungehindert zum Ausdruck, sondern da gibt es diese innere Stimme, die uns fragt, ob wir uns überhaupt so fühlen dürfen und selbst wenn wir uns so fühlen dürfen, darf ich das dann auch nach außen zeigen? Was denken denn dann die anderen? Sind meine Gefühle angemessen? Stoße ich vielleicht jemanden vor den Kopf? Bin ich richtig so wie ich bin? In einigen Situationen kann es sicher angemessen sein, nicht allen Gefühlen ungehindert freien Lauf zu lassen. Allerdings haben wir dies oft so perfektioniert, dass wir unsere Gefühle manchmal gar nicht mehr wahrnehmen.
Denn wenn wir zu oft gegen unsere Gefühle handeln, kann es irgendwann sein, dass wir gar nicht mehr merken, wie wir uns fühlen und welches Bedürnfis hinter den Gefühlen steckt.
Auch das können wir von Tieren lernen.
Wir können von Tieren lernen auf unsere Bedürfnisse zu achten
Tiere handeln immer so wie sich fühlen und die Gefühle hängen oft von den Bedürfnissen ab. Wenn ein Pferd müde ist ruht es sich aus. Es denkt nicht darüber nach ob es vielleicht gerade etwas wichtiger gibt. Wenn es Hunger hat frisst es, (wenn etwas zu fressen da ist) ohne darüber nachzudenken, ob es vielleicht zu dick wird. Wenn es Appetit hat und es ist etwas leckeres da, frisst es auch. (kann auch zu Nachteilen führen 😉). Wenn es keine Lust hat sich zu bewegen oder keinen Sinn in der Bewegung sieht, bewegt es sich nicht. Wie oft handelst du nach deinem Bedürfnissen? Isst du wenn du Hunger hast? Ruhst du dich aus wenn du müde bist? Ich gehe jetzt noch einen Schritt weiter und frage, nimmst du deine Bedürfnisse überhaupt noch wahr? Wie gehst du mit deinen Bedürfnissen um? Befriedigst du sie auch und stehst zu ihnen? Oder ignorierst du sie weil du beispielsweise keine Zeit hast dich auszuruhen, wenn du müde bist oder etwas zu essen, wenn du Hunger hast? Ist ja auch nicht so wichtig, geht ja nur um dich und deine Gesundheit.Jeder Mensch ist anders und dennoch haben die meisten eine ähnliche Tagesstruktur. Hast du mal hinterfragt, ob deine Tagesstruktur zu deinen ganz individuellen Bedürfnissen passt?
Ein weiterer Punkt, denn wir von Tieren lernen können ist also, unsere eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen.
Wir können von Tieren lernen klar zu kommunizieren
Tiere kommunizieren genau das was sie meinen. Das und nichts anderes. Sie nutzen hierzu überwiegend ihre Körpersprache.
Wir Menschen machen das häufig nicht. Wie oft sagen wir nicht, wie es uns wirklich geht oder was wir wollen. Warum machen wir das eigentlich? Meistens steckt der Gedanke dahinter, dass wir dann nicht akzeptiert oder sogar kritisiert werden. Diese Bedenken sind ganz natürlich, es kann jedoch hilfreich sein, sie sich einfach mal bewusst zu machen und zu überlegen, ob diese Gedanken in deiner aktuellen Situation wirklich wahr sind.
Außerdem ist es dadurch für unsere Mitmenschen manchmal gar nicht so leicht uns zu verstehen. Unser Körper drückt oft genau das aus, was wir eigentlich fühlen und denken. Wir setzen unseren Körper allerdings meist nicht bewusst ein. Das heißt unser Körper drückt aus, wie wir uns wirklich fühlen, was wir allerdings nicht bewusst wahrnehmen und wir sagen etwas anderes (das was wir glauben, das wir sagen sollten). So entsteht eine sogenannte Inkongruenz. Ganz schön verwirrend oder? Dann kannst du dir ja mal überlegen, wie verwirrend das erst für Tiere ist, die vor allem auf deine Körpersprache achten. Demnach kannst du von Tieren lernen deine Körpersprache wieder bewusster einzusetzen und dass zu sagen, was du wirklich willst, damit deine Kommunikation klarer wird.
Wir können von Tieren lernen unser Leben zu genießen
Wann hast du das letzte Mal etwas gemacht, was einfach schön war? Und dies dann auch noch ganz bewusst wahrgenommen? Einfach weil du da gerade Lust drauf hattest. Tiere können dies ganz hervorragend, sie sehen etwas, was ihnen Genuss bereitet und tun es einfach. Mein Hund Nele genießt es beispielsweise sehr sich in wohlriechenden Dingen zu wälzen (ist ja alles eine Frage der Wahrnehmung oder wie war das?). Man sieht ihr richtig an, wie sehr sie das gerade genießt und sich darüber freut. Vielleicht kannst du dir da ja heute mal ein Beispiel dran nehmen, mach doch mal etwas, einfach nur weil es dir gut tut. Vielleicht kannst du das ja sogar jeden Tag machen? Wie würde es dir damit gehen?
Wir können von Tieren lernen, anzunehmen was ist
Tiere überlegen nicht, was sie wie verändern können, sondern sie finden sich mit der Situation, in der sie gerade sind ab. Es ist wirklich erstaunlich, was sie hierbei für eine Anpassungsfähigkeit zeigen. Selbst wenn die Situation, in der das Tier gerade ist, nicht ideal ist, findet es Wege damit umzugehen. Wir können hierbei von Tieren lernen, anzunehmen was ist und zu überlegen, wie wir vielleicht besser mit der Situation umgehen können, statt alles im Außen sofort ändern zu wollen. Wenn wir unzufrieden sind, liegt es häufig gar nicht an der äußeren Situation, sondern die Ursache unserer Unzufriedenheit liegt in uns. Dann können wir noch so viel verändern und wir werden nicht zufriedener..Jobwechsel, Umzug, neuer Partner…die Unzufriedenheit bleibt. Genau diese Unterscheidung ist eine große Kunst und gar nicht immer so einfach. Denn natürlich möchte ich damit nicht sagen, dass wir alles annehmen müssen. Wenn die Situation in der wir sind, wirklich nicht für uns geeignet ist, ist es durchaus sinnvoll sie zu ändern. Es gibt ein bekanntes Sprichwort von dem Theologen Reinhold Niebuhr: Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit das eine vom anderen zu unterscheiden. Genau diese Gelassenheit, Dinge anzunehmen, die wir nicht ändern können, können wir von Tieren lernen.
Dieses „Annehmen“ gilt nicht nur für Situationen, sondern auch für andere Menschen.
Wenn wir einem Menschen zum ersten Mal begegnen, haben wir oft (unbewusst) schon eine Meinung von ihm ohne mit ihm gesprochen zu haben oder etwas über ihn zu wissen. Aufgrund unserer Vorerfahrungen und den Dingen, die wir bisher erlebt haben, sehen wir diesen Menschen mit unserer ganz eigenen Brille und gehen davon aus, dass er oder sie sich bestimmt so oder so verhalten wird und bestimmt so oder so ist. Mit diesen Vorannahmen treten wir nun in Kontakt mit der Person und häufig führt genau das dazu, dass sich unserer Vorannahmen bestätigen. Wenn wir davon ausgehen, die Person ist bestimmt nett, weil ihr äußeres Erscheinungsbild uns an andere nette Personen erinnert, treten wir ihr freundlich entgegen und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die andere Person darauf wiederum freundlich reagiert..Zack Vorurteil bestätigt. Wenn eine Person nun so aussieht, dass wir denken: Oh man die ist bestimmt voll eingebildet, tretten wir ihr auch so Gegenüber und sie wird sich auch so verhalten, wie wir ihr gegenübertreten…Zack wieder bestätigt.
Tiere nehmen Menschen erst einmal so an wie sie sind und reagieren auf das Verhalten und die Gefühle die der Mensch (oder auch ein anderes Tier) in diesem Augenblick zeigt. Das können wir von ihnen lernen.
Wir können von Tieren lernen, was wirklich wichtig ist
Hast du dir mal Gedanken darüber gemacht was dir wirklich wichtig ist im Leben? Wie viele Dinge, die dir vielleicht Kraft oder Energie rauben, sind dir wirklich wichtig. Das ist sicherlich bei jedem anders, allerdings gibt es doch einige Dinge und Bedürfnisse, die bei den meisten von uns ähnlich sind, beispielsweise Nahrung, Ruhe und soziale Kontakte. Maslow hat eine sogenannte Bedürfnispyramide entwickelt. In dieser erläutert er die wichtigen Bedürfnisse in Form einer Pyramide und erst wenn die untersten befriedigt sind, können wir uns den oberen widmen. Ganz unten stehen die Grundbedürfnisse, wie etwa das Bedürfnis nach Schlaf, Nahrung und Sex. Dann kommen die Bedürfnisse nach Sicherheit und sozialen Kontakte. Darauf folgen die Individualbedürfnisse, die beispielsweise die Bedürfnisse nach Anerkennung und Geltung umfassen und ganz oben steht die Selbstverwirklichung. Tiere halten sich ziemlich genau an diese Reihenfolge. Es gibt unterschiedliche Meinungen, ob Tiere wirklich all diese Bedürfnisse haben, allerdings steht bei ihnen das Bedürfnis nach Schlaf, Nahrung und Sex ganz vorne. Wir Menschen vergessen unsere Grundbedürfnisse manchmal. Beispielsweise ist für einige das Mittagessen nicht so wichtig, wie die Aufgabe zu erledigen und damit den Chef zu beeindrucken. Die eigene Selbstverwirklichung wird vor das Bedürfnis nach sozialen Kontakten gestellt, wenn der Freundin das gemeinsame Abendessen abgesagt wird um noch schnell was für die Arbeit zu erledigen. Eine zeitlang mag dies gut gehen, auf Dauer allerdings nicht. Deshalb können wir von Tieren lernen, was wirklich wichtig ist.
Sicher fallen dir noch sehr viel mehr Dinge ein, die du vielleicht sogar schon von deinem Tier gelernt hast. Wenn wir unsere Tiere immer mehr trainieren, kann es dazu kommen, dass sie weniger Verhalten zeigen, dass sie von sich aus zeigen würden und damit nehmen wir uns genau diese Möglichkeit von ihnen zu lernen. Dabei kann genau das so wertvoll sein. Sicher gibt es bestimmte Sachen, die ein Tier, wenn es mit uns zusammen lebt lernen sollte und es müssen einige Grenzen gesetzt werden. Allerdings sollte dabei die Individualität des Tieres nicht vergessen werden und es sollte sich dennoch frei entfalten können. Denn nur so können wir von unseren Tieren lernen, was so wundervoll sein kann.
Ein wunderbarer Artikel. Danke dafür. Ich hatte 2 Hunde und eine Katze und hatte immer wieder das Gefühl, dass mich einfach nur spiegeln. Ich musste nur hinschauen. Und ich habe so viel von ihnen lernen dürfen.
Herzliche Grüße Martina
Vielen Dank für deinen Kommentar liebe Martina, ja es ist wirklich immer wieder erstaunlich, was Tiere uns alles lehren können.