Ich arbeite seit circa zehn Jahren in der Eingliederungshilfe für erwachsene Menschen mit einer psychischen Erkrankung und biete hier tiergestützte pädagogische Angebote an. Da ich immer mal wieder gefragt werde, was diese tiergestützte Pädagogik denn eigentlich ist, möchte ich dies im Folgenden mal aufzeigen.
Kurz gesagt ist die tiergestützte Pädagogik eine Methode, in welcher Tiere von pädagogischen Fachkräften eingesetzt werden, um die Klient:innen bei der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen.
Für wen ist die tiergestützte Pädagogik geeignet?
Im Allgemeinen richten sich pädagogische Angebote an Menschen, welche in bestimmten Bereichen ihres Lebens aktuell professionelle Unterstützung oder Begleitung.
So richten sie die pädagogischen Angebote der Eingliederungshilfe an Menschen, welche aufgrund einer Behinderung, Einschränkungen erfahren. Das bedeutet, dass sie bestimmte Dinge, die sie machen möchten, nicht machen können. Die pädagogischen Angebote der Eingliederunghilfe unterstützen nun dabei, genau dies doch zu ermöglichen oder die Situation zumindest zu verbessern. Die Menschen sollen bei dem, was sie machen und erreichen möchten, unterstützt werden.
Wie genau dies aussehen kann ist sehr unterschiedlich und muss daher für jede Person individuell festgelegt werden. Deshalb wird am Anfang ein Hilfeplan geschrieben. Im Hilfeplan werden die aktuellen Einschränkungen, die Ziele und die Methoden, wie die Ziele erreicht werden sollen, beschrieben.
Zum Beispiel kann eine Person wegen einer Angstörung nicht alleine zum Arzt gehen (Einschränkung). Nun möchte sie aber gerne ihre Gesundheit verbessern und daher regelmäßig zum Arzt gehen (Ziel). Hier kann es beispielsweise hilfreich sein, wenn die Person begleitet wird oder durch reflektierende Gespräche einen besseren Umgang mit den Ängsten erlernen kann (Methode).
Eine weitere Methode, die eingesetzt werden kann um die Ziele zu erreichen, können eben tiergestützte Interventionen sein.
Das heißt, tiergestützte Interventionen sind für alle geeignet, die aktuell eine Einschränkung erfahren und daran etwas verändern möchten. Sie haben ein Ziel. Außerdem sollten Tiere gemocht werden. Denn es bringt nichts, wenn der Methode schon mit Ablehnung gegenüber getreten wird.
Natürlich sind tiergestützte Angebote nicht auf die Eingliederungshilfe beschränkt. Auch in vielen anderen pädagogischen Bereichen, wie beispielsweise der Jugendhilfe, kann diese Methode sehr sinnvoll eingesetzt werden. Ich würde sogar fast so weit gehen, dass die tiergestützte Arbeit eine Methode ist, die in allen pädagogischen Bereichen hilfreich sein kann.
Was bringt die tiergestützte Pädagogik?
Doch was genau kann die tiergestützte Pädagogik nun bringen?
Nehmen wir das Beispiel einer stark depressiven Person, die prinzipiell gerne mehr machen, öfter das Haus verlassen und sich mehr bewegen möchte. Sie schafft es jedoch, aufgrund der depressiven Erkrankung häufig nicht. Wenn diese Person nun früher geritten ist und eine große Affinität zu Pferden hat oder sie einfach nur generell schön findet und gerne Zeit mit ihnen verbringen möchte, kann es ein großer Motivator sein, das Haus zu verlassen, um in den Stall zu fahren. Demnach kann dies eine Möglichkeit sein, das Ziel zu erreichen. In diesen Fällen fängt die Intervention oft sehr kleinschrittig an, beispielsweise in dem die Pferde erstmal nur beobachtet, gestreichelt und gefüttert werden. Oft entsteht dann nach einiger Zeit doch Lust vielleicht mal ein bisschen mit dem Pferd zu laufen, erstmal nur ein kleines Stück. Ja und wir wissen ja alle, wenn wir erstmal losgelaufen sind, quasi den ersten Schritt gemacht haben, ist der zweite gar nicht mehr so schwer. Und schon wurde ein kleiner Spaziergang gemacht, einfach so, ohne es zu erzwingen. Da dürfen die Personen auch mal stolz auf sich sein. Dieser Stolz und die Erinnerung, dass vielleicht doch nicht alles so schwer ist, wie es auf den ersten Blick scheint, wird dann mit nach Hause genommen und kann vielleicht auf eine andere Alltagssituation übertragen werden.
Ein weiteres Beispiel, kann sein, dass ein Mensch an den Folgen einer Angststörung leidet. Hier kann das Pferd, welches selbst ein Fluchttier ist und demnach vor verschiedenen Dingen Angst hat genutzt werden, um zu erproben, wie die eigenen Ängste überwunden werden können. So hatte ich eine Klientin, welche einfach nicht wusste, was ihr bei ihren Ängsten hilft. Alles schien sinnlos, sie wurde quasi von ihren Ängsten überrannt. Wir haben dann eine Situation gestellt, vor der das Pferd Angst haben könnte, in dem wir eine Plane auf den Boden gelegt haben. Dann haben wir überlegt, was dem Pferd denn jetzt helfen könnte, diese Plane zu überwinden und was auf keinen Fall. Schnell haben wir, beziehungsweise meine Klientin festgestellt, dass Angst und Druck jetzt ganz schlecht wären. Durch das Gefühl, etwas zu „müssen“ wird die Angst stärker. Daher wussten wir jetzt schon, dass Zeit und Geduld wichtiger ist. Also haben wir uns erstmal zwei Stühle geholt und versucht uns zu entspannen, den ganzen Druck einfach mal rauszunehmen, denn nur so können wir überhaupt Zugang zu uns und zu dem, was uns hilft, bekommen. Das wurde als hilfreich erlebt, erstmal das Nervensystem herunterfahren und dann weiter schauen. Schließlich ist die Klientin zum Pferd gegangen und hat versucht, ob es vielleicht einen kleinen Schritt in die Richtung der Plane machen kann, das ging gut. Danach hat sie das Halfter sofort losgelassen, um den Pferd die Möglichkeit zu geben, wieder zurück zu gehen. Aha also auch das ist wichtig, jederzeit die Möglichkeit zu bekommen, wieder zurück zu gehen… ja und so haben wir nach und nach immer mehr Dinge herausgefunden, die hilfreich sein können. So und ob ihr es glaubt oder nicht, all das was die Klientin herausgefunden hat, hat tatsächlich sehr viel mit ihr und ihren eigenen Ängsten zu tun. Daher konnten wir im nächsten Schritt nun überlegen, wie sie diese tollen Erkenntnisse auf ihren Alltag übertragen kann. Zudem haben wir mit ihrer pädagogischen Fachkraft gesprochen, wie dies sinnvoll in die weitere Betreuung integriert werden kann.
Tiere können auch gezielt bei einzelnen Themen, bei denen der Wunsch nach Veränderung besteht, genutzt werden. Ein Thema, welches mir immer wieder begegnet ist, das Thema „Grenzen setzen“. Viele meiner Klient: innen haben große Bedenken Grenzen zu setzen. Oft stecken Ängste andere zu enttäuschen dahinter, in vielen Fällen wurde es auch einfach nie gelernt. Am Pferd kann nun erprobt werden, wie Grenzen gesetzt werden können und welche Auswirkungen es hat. Oft ist es doch so, dass Grenzen gar nicht per se schlecht sind, sondern Klarheit bringen. So ist es auch bei Pferden. Für Pferde ist es wichtig, dass das Gegenüber klar kommuniziert, dann werden Grenzen gerne akzeptiert und stoßen nicht auf Ablehnung. Natürlich nur, wenn die Grenzen fair und respektvoll gesetzt werden, doch auch dies kann gelernt werden. Auch hier ist es dann wieder wichtig, die Erfahrungen mit dem Pferd auf den eigenen Alltag zu übertragen.
Dies ist wirklich nur ein kleiner Auszug, tiergestützter Pädagogik, kann eine Methode für so viele Ziele sein, welche im Rahmen der pädagogischen Arbeit Thema sein können. Wahrnehmen eigener Bedürfnisse, Aktivierung, Förderung des Selbstvertrauens, Verantwortung übernehmen oder abgeben, Erkennen des eigenen Selbstwertes, Beziehungserfahrung ermöglichen….
Unterscheidung tiergestützter Angebote
Die wichtigste Unterscheidung zwischen den einzelnen tiergestützten Angeboten ist der Grundberuf der ausführenden Kraft.
In der tiergestützten Arbeit wird vor allem zwischen tiergestützter Pädagogik, tiergestützter Therapie und tiergestützten Interventionen unterschieden. Wenn jemand mit einer pädagogischen Grundausbildung Tiere im Rahmen der pädagogischen Arbeit einsetzt, wird von tiergestützter Pädagogik gesprochen, jemand mit therapeutischer Grundausbildung bietet tiergestützte Therapie an. In einigen Fällen könne Tiere auch eingesetzt werden, ohne einen der genannten Grundberufe zu haben, dann wird von tiergestützter Intervention gesprochen.
Um diese Methode wirklich gut einsetzen zu können, ist es wichtig eine entsprechende Weiterbildung zu machen. Denn nur so kann die Methode ihre volle Wirkung entfalten und positiv für alle Beteiligten sein. Denn es gibt eine, vielleicht nicht ganz überraschende Besonderheit an dieser Methode, neben dem/ der Klient:in und der pädagogischen Fachkraft gibt es noch einen dritten Akteur: das Tier. Auch dessen Bedürfnisse müssen adäquat berücksichtigt werden und jedes Tier kann und sollte anders, entsprechend seiner eigenen Fähigkeiten und Grenzen eingesetzt werden. Genau dies solle, neben vielen anderen konkreten Umsetzungsmöglichkeiten, im Rahmen einer guten Ausbildung gelernt werden. Demnach muss vor allem der Mensch ausgebildet sein. Ob das Tier auch eine Ausbildung braucht, würde hier den Rahmen sprengen.
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